Photovoltaik
Lärmschutzwände sind Ingenieurbauwerke und gehören zur Verkehrsinfrastruktur, deren einzige Funktion darin besteht, als „Bollwerk“ zwischen einem prosperierenden Verkehrsweg und ruhebedürftiger Wohnbebauung zu stehen. Sie stören die Sichtbeziehungen, verstärken den Trennungseffekt, sind meist von zweifelhaftem architektonischem Wert, aber dennoch unabdingbar für eine Vereinbarkeit von Verkehr und Wohnen.
Für diese monofunktionalen Flächen der Lärmschutzwände können oder könnten für eine solare Stromerzeugung genutzt werden.
Solarstrom, also durch Photovoltaik aus Sonnenlicht umgewandelter elektrischer Strom, ist wohl die eleganteste Methode, diesen universellen Energieträger zu produzieren. Geräuschlos, emissionsfrei kann das nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehende Sonnenlicht in elektrische Energie umgewandelt werden. Dies sind die Vorteile
Die Nachteile sind der enorme Flächenbedarf der Solaranlagen – mit zahlreichen Problemen durch Verödung und Erosion. Daher ist es sehr sinnvoll, Flächen, die ohnehin vorhanden sind, wie Dächer und Fassaden von Gebäuden und Lärmschutzwänden, für die solare Stromerzeugung zu nutzen. Dies erlaubt die Realisierung von Solarstromanlagen, ohne den Verbrauch eines einzigen zusätzlichen Quadratmeters Kulturlands.
Für die Lärmschutzwand als solarer Stromerzeuger gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Herangehens- und Konstruktionsweisen:
PV-Lärmschutzsysteme
Hochabsorbierende PV-Lärmschutzwand
Lärmschutzelemente mit integrierten PV-Modulen sind in ihrem Aufbau dem konventionellen Kassettenelementen aus Aluminium sehr ähnlich. Prinzipiell wurde die Rückwand der einseitig hochabsorbierenden Kassettenelementen durch PV-Module ersetzt. Somit weisen diese Elemente mindestens die gleichen akustischen Eigenschaften wie einseitig hochabsorbierende Aluminiumelemente auf und haben somit die gleichen weitreichenden Einsatzmöglichkeiten.
Semitransparente PV-Lärmschutzwand
Lärmschutzelemente mit integrierten PV-Dünnschichtmodulen haben die gleichen akustischen Eigenschaften wie transparente Lärmschutzelemente aus mineralischem Glas oder transparentem Kunststoff, sie wirken schallreflektierend. Sie gewährleisten eine zwar eingeschränkte, aber dennoch gute Durchsichtigkeit, sowohl auf der photovoltaisch aktiven als auch auf der Rückseite. Auf der Rückseite ist je nach Lichteinfall ein Spiegeleffekt sichtbar. Die Durchsichtigkeit ist mit getönten oder eingefärbten Scheiben vergleichbar. Diese Module können beidseitig eingesetzt werden. Das heißt, die solaraktive Fläche kann sowohl auf der Fahrbahn-, als auch der Anliegerseite angeordnet werden.
Lärmschutzwand mit Bifacial-Modulen
Lärmschutzwände deren vorwiegende Lage der Längsachse in Nord-Richtung verläuft, eignen sich besonders für eine photovoltaische Stromerzeugung. Ausgestattet mit Bifacialmodulen, können sie mindestens genauso viel Strom erzeugen, wie optimal nach Süden ausgeichtete PV-Anlagen.
Bifaciale Wafer (kreisrunde oder quadratische, etwa ein Millimeter dicke Scheiben aus ein- oder polykristallinen Siliziumrohlingen) werden in mineralischem Glas laminiert und sind zweiseitig lichtempfindlich. Damit können besonders an senkrecht stehenden Wänden die Vor- und Nachmittagsstunden zur photovoltaischen Stromerzeugung genutzt werden. Energetisch kann dabei mehr Strom erzeugt werden als an optimal nach Süden ausgerichteten Anlagen.
Für diesen Typ photovoltaischer Lärmschutzwände sind sowohl opake als auch semitransparente Elemente herstellbar. Opake Lärmschutzelemente erzielen die höchsten energetischen Erträge. Die semitransparenten Elemente vereinen die akustische und elektrische Nutzung und Ansprüche an die Gestaltung der Lärmschutzwände. Werden die Wafer „auf Lücke“ gesetzt kann eine gewisse Durchsichtigkeit erzeugt werden. Umso größer die Lücken zwischen den Wafern, desto größer die Transparenz. Bereits realisierte PV-Lärmschutzwände zeigen, dass Abstände zwischen den Wafern von 3 cm eine ausreichende Durchsichtigkeit erzeugen.
Rooftop-PV-Lärmschutzwand
Für Lärmschutzwände in Nord-Süd-Richtung oder bei dem Erfordernis von Absorptionseigenschaften auf der Südseite, können mit Aufsatzmodulen versehen werden. Hierbei werden an den Oberkanten der Stahlpfosten seitliche Kragträger befestigt auf denen, parallel zur LSW-Achse, zwei Z-Profile aufgelegt werden. Auf diese Längsprofile werden mit einer Neigung von 5° PV-Module aufgelegt. Hierbei können derzeit pro laufende Meter Lärmschutzwand ca. 250 Wp Leistung installiert werden.
Integrationsmodelle
Im Integrationsmodell werden in eine konventionelle Lärmschutzwand Elemente mit integrierten Photovoltaikmodulen eingesetzt. Photovoltaik-Lärmschutzelemente können, wie alle anderen Lärmschutzelemente aus Beton, Holz, Glas oder Aluminium in normale und übliche Tragkonstruktionen der Lärmschutzwände eingebaut werden. Auch Kombinationen mit allen anderen üblichen Lärmschutzmaterialien sind problemlos möglich.
Das Besondere am Integrationsmodell ist, dass die Entscheidungsschwelle zum Einsatz von PV-Lärmschutzelementen niedrig ist, ähnlich und vergleichbar mit Aufdachanlagen.
Der in photovoltaischen Lärmschutzelementen erzeugte Strom ist am besten, wenn er in unmittelbarer Nähe auch gleich verbraucht wird. So gibt es schon langjährige Erfahrungen bei der Nutzung von Solarstrom in Schulen, oder anderen öffentlichen Gebäuden. Aber auch an öffentliche Ladesäulen kann der photovoltaisch erzeugte Strom verbraucht werden.
Beispiel 1: Photovoltaische Lärmschutzwand Aschaffenburg
An der BAB A 3 wurde bei Aschaffenburg in einem Pilotvorhaben des BMVI wurden an einer 887 m langen Lärmschutzwand Lärmschutzelemente verbaut, die auf der Autobahnseite hochabsorbierend ausgebildet und auf der Anliegerseite integriert sind. Die LSW ist in Regelausführung senkrecht aufgestellt und in einem Pfostenachsabstand von 4 m auf Bohrpfählen gegründet.
- Gesamthöhe: 3,00 m über Fahrbahngradiente
- Fläche LSW: ≈ 3.170 m²
- Fläche PV: 1.755 m²
- Installierte Leistung: 150 kWp
- Jahresertrag: ≈ 108.000 kWh
- Stromverwendung: Netzeinspeisung
- CO2-Einsparung: ca. 180.000 kg/a
Beispiel 2: Photovoltaische Lärmschutzwand Neuötting
Für die Erschließung eines Baugebiets wurde um Schutz vor dem Lärm der St 2550 eine 4 m hohe Lärmschutzwand erforderlich. Auf der Fahrbahnseite wurden Lärmschutzelemente mit integrierten Modulen zur solaren Stromerzeugung verbaut. Der in der Lärmschutzwand erzeugte Strom wird fast zur Hälfte, in der hinter der LSW liegenden Schule verbraucht, die andere Hälfte wird in das öffentliche Versorgernetz eingespeist.
- Länge: 234 m
- Gesamthöhe: 5,00 m über Fahrbahn
- Fläche LSW: ≈ 1.170 m²
- Fläche PV: 500 m²
- Installierte Leistung: 65,4kWp
- Jahresertrag 2017: ≈ 49.918 kWh
- Stromverwendung: ca. 53 % Eigenverbrauch in der Schule, ca. 47 % Überschusseinspeisung
- CO2-Einsparung: ca. 33.000 kg/a
Beispiel 3: Photovoltaische Lärmschutzwand Waltershofen
Am 08.05.2023 wurde durch den Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern Dr. Markus Söder die PV-LSW Waltershofen als wichtiges Projekt zur Energiewende bei einem Pressetermin freigegeben.
An der Staatsstraße St 2045 bei Augsburg wurde eine PV-Lärmschutzwand errichtet. Südlich des Ortsteils Waltershofen wurde eine vorhandene marode Lärmschutzwand auf einen Lärmschutzwall durch eine PV-Lärmschutzwand ersetzt. Die Lärmschutzwand wird zur Südseite hin mit in der Lärmschutzwand integrierten PV-Modulen hergestellt. Die Länge der maroden Lärmschutzwand wird beibehalten, die akustisch wirksame Höhe der PV-LSW wird auf 3,6 m über OK Wall erhöht.
- Länge: 234 m
- Gesamthöhe: 6,00 m über Fahrbahn
- Fläche LSW: ≈ 1.101 m²
- Fläche PV: 783 m²
- Installierte Leistung: 121 kWp
- Jahresertrag: ≈ 93.000 kWh
- Stromverwendung: Netzeinspeisung
- CO2-Einsparung: ca. 60 t/a
Konzeptionsmodell
Bei dem Konzeptionsmodell muss die Planung und Konzeption der PV-Lärmschutzwand zu einem sehr frühen Stadium, unmittelbar nach den akustischen Berechnungen beginnen. Die akustischen Berechnungen definieren durch die Höhe der Beugungskante, dem Abstand zu Lärmquelle und die Länge des Lärmschirms, die hohe Wirksamkeit des Lärmschutzes.
Die konzeptionelle PV-Lärmschutzwand wird über der Ebene in einem Winkel von ca. 30° bis 45° geneigt. Diese Bauart entspricht eher dem Querschnitt eines halben Lärmschutzwalls als einer extrem schräg gestellten Lärmschutzwand. Das Konzeptionsmodel hat größeren Flächenbedarf gegenüber einer Lärmschutzwand, aber auch einen wesentliche geringere Flächenbedarf im Vergleich zu einem Lärmschutzwall.
Konzeptionelle Modelle sind planungstechnisch aufwendiger als konventionelle Lärmschutzwände. Es ist ggf. Planungsrecht (Bebauungsplan?) herzustellen, der Platzbedarf ist größer, ggf. ist Grunderwerb erforderlich, die Reflektion von Schall und Licht sind zu untersuchen.
Beispiel 1: Photovoltaische Lärmschutzwand Neumarkt in der Oberpfalz
Zur Erschließung des Baugebietes Pölling II, welches unmittelbar an der hochfrequentierten Bahnlinie Nürnberg-Regensburg war gemäß Bebauungsplan ein 7 m hoher Lärmschutzwall erforderlich, welcher mit einer PV-Lärmschutzwand realisiert wurde.
- Länge: 744 m
- Gesamthöhe: 7,00 m über SOK
- Fläche LSW: ≈ 8.668 m²
- Installierte Leistung: 1.258 MWp
- Netzeinspeisung: ≈ 1.221.800 kWh/a
- entspricht: ca. 270 Vier-Personen-Haushalte
- CO2-Einsparung: ca. 1.075 t/a
Beispiel 2: Photovoltaische Lärmschutzwand Freising
Zur Verbesserung der Lärmbelastung in der Stadt Freising infolge der hochbelastenden A 92 wurde der bereits vorhandenen 4 m hohe Lärmschutzwall mit einer PV-LSW noch einmal um 3,5 m erhöht. Dies ist die erste bedeutende PV-Lärmschutzwand, die in Deutschland errichtet wurde.
- Länge: 762 und 319 m
- Gesamthöhe: 7,50 m über Fahrbahn
- Fläche LSW: ≈ 6.750 m²
- Installierte Leistung: 1.1 MWp
- Netzeinspeisung: ≈ 1.001.600 kWh/a
- entspricht: ca. 222 Vier-Personen-Haushalte
- CO2-Einsparung: ca. 881 t/a